Ein rätselhafter SchimmerDie Wilden Zwanziger in einer poetischen Amüsierschau

12Sportpalastwalzer

Der 1910 gebaute Berliner Sportpalast war eine mehr als 10.000 Zuschauer fassende vielseitig nutzbare Veranstaltungshalle. Sie galt bei der Eröffnung als Sensation, vor allem wegen der Kunsteisbahn – der größten der Welt – , die den Sportarten Eishockey und Eisschnelllauf erstmals zu großen Publikumserfolgen in Berlin verhalf. Auch als Lichtspielhaus wurde der Palast genutzt und 1919 als größtes Kino der Welt angepriesen.

In den 1920ern wurden publikumsträchtige Boxkämpfe vor ausverkauften Haus aufgeführt. Es boxten unter anderem Max Schmeling, Hans Breitensträter („Der blonde Hans") und Sabri Mahr („Der schreckliche Türke"). Unter den Zuschauern befanden sich Enrico Caruso, Richard Tauber, Hans Albers und Bertolt Brecht.

Ein weiteres Großereignis war ab 1911 das jährliche Sechstagerennen, zu dem ab 1923 der von Siegfried Translateur komponierte Walzer Wiener Praterleben gespielt wurde. Das Stück wurde so beliebt, dass es als Erkennungsmelodie regelmäßig gespielt und bald Sportpalastwalzer genannt wurde.

Untrennbar verbunden ist das Stück mit Reinhold Habisch (genannt „Krücke"), der nach einem Unfall seinen Traum, selbst Radrennfahrer zu werden, aufgeben musste. Als Stammgast auf den billigen Plätzen – dem „Heuboden” – pfiff er einige Töne der Musik scharf mit, was dann vom Publikum übernommen wurde. So trug der Einbeinige maßgeblich zum Aufstieg der Melodie zur Hymne der Sechstagerennen bei. Die Pfiffe wurden seitdem in die meisten Versionen des Walzers eingebaut.

[Lotta Stein]

Das Wiener Praterleben (0:35)
Ein Ausschnitt aus dem „pfiffigen“ Sportpalastwalzer

Komposition: Sigfried Translateur
Arrangement & Produktion: Christian Manchen
Aufnahme & Mix: Christian Manchen bei Siggi Samoa Records / Münster, 2021

Münster, 2021