Ein rätselhafter SchimmerDie Wilden Zwanziger in einer poetischen Amüsierschau
So lang nicht die Hose am Kronleuchter hängt

18 So lang nicht die Hose am Kronleuchter hängt

Berliner Nachtleben

Silvester 1918: In Deutschland darf endlich wieder getanzt werden! Mit Foxtrott, Charleston und Shimmy lassen sich die Sorgen vertreiben und der Schrecken des Krieges vergessen. „Mit dem Fallen des Tanzverbots stürzte sich das Volk wie ein Rudel hungriger Wölfe auf die langentbehrte Lust. Noch nie ist in Berlin so viel, so rasend getanzt worden”, kommentiert das Berliner Tageblatt. Keine andere Stadt ist so offen und freizügig. Männer verkleiden sich als Frauen, Frauen gehen als Männer. Lesben bevorzugen den Topp-Keller, Transvestiten das Mikado. Für viele Homosexuelle wird Berlin zur Heimat, denn die Sittenwächter sind hier weniger streng.

Und Berlin hat einiges zu bieten: Tanzpaläste, Bars, Kinos, Kabaretts, Varietés, Revuen, Nachtclubs und Amüsiertempel mit Tischtelefonen und Separées, Nacht-Badeanstalten ... Das Epizentrum des Vergnügens liegt im Westen der Stadt: Kurfürstendamm und Tauentzienstraße bilden zusammen die Partymeile. Im Schein von Tausenden Glühbirnen und schreienden Reklametafeln locken hier die Amüsemangs, wie der Berliner sagt. Die Meile reicht bis zum Luna-Park, einem Rummel mit Wasserrutsche, Gebirgsbahn und Völkerschauen; Feuerwerk inklusive.

Das Haus Vaterland am Potsdamer Platz ist ab 1929 eine Erlebnis-Gastronomie der Superlative: Zwölf Themenrestaurants, ein Café mit 2.500 Plätzen und ein Kino beherbergt der Tempel, den jährlich fast eine Million Gäste besuchen. Innerhalb des sechsgeschossigen Gebäudes können die staunenden Besucher eine kulinarische Reise antreten, die sie von einer spanischen Bodega über ein japanisches Teehaus bis hin zu einer amerikanischen Wild-West-Bar führt. Den Höhepunkt bildet das stündliche Gewitter im Lokal Rheinterrasse.

[Lotta Stein]

Julian und Robert wollen näher am Kronleuchter sein.

Julian und Robert wollen näher am Kronleuchter sein.

Solang nicht die Hose am Kronleuchter hängt (0:40)
Ausschnitt aus dem gleichnamigen Lied von Walter Kollo

Komposition: Walter Kollo, 1929 (?)
Arrangement: Trio Größenwahn
Gesang: Christian Manchen
Klavier: Christian Manchen
Kontrabass: Christoph Kopp

Aufnahme und Mix:
David Heinrich im Soundchip Studio / Münster, 2017

Final Mixing:
Philipp Kopp im Two Stroke Studio / Berlin, 2017

Hose

Christoph Kopp holt die Hose wieder vom Kronleuchter runter.